https://app.eu.usercentrics.eu/browser-ui/latest/loader.js https://sdp.eu.usercentrics.eu/latest/uc-block.bundle.js #Gesichter: Interview mit Katinka Kulens Feistl - Ulrike Zecher – Markenberatung | Schreibcoaching

37 Grad. Das letzte Wochenende im Juli. Aufgeregt sitze ich in einem Workshop-Raum im Kölner Süden. Plötzlich betritt eine Frau mit einem Schlapphut den Raum. „Das kann ja lustig werden“, denke ich. Lehne mich zurück und freue mich auf meinen ersten Comedy-Workshop.

 So fühlte sich die erste Begegnung mit Katinka Kulens Feistl an.

Ulrike: Herzlichen Glückwunsch, liebe Katinka. Du hast deinen ersten autobiografischen-belletristischen Roman geschrieben: „My Lovely Shame“.
Ich springe direkt mal ins Thema rein: Regisseurin von 20 Spielfilmen, erfolgreiche Drehbuch-Autorin und jetzt Erst-Autorin! Jetzt bin ich neugierig geworden; erzähle meiner Leserschaft von deiner Reise zur Autorin. Und weil wir gerade dabei sind: Stelle dich gerne direkt selbst vor.

Autorin Katinka Kulens Feistl

Hallo liebe Ulrike, vielen Dank für dieses Interview.
Ich bin Katinka Kulens Feistl, Regisseurin und Storytellerin. Mein Leben lang wollte ich nichts anderes machen, als Geschichten erzählen, Geschichten hören, in Geschichten kommunizieren. Ich verstehe das Leben auch nur in Form von Geschichten. Also vermutlich ist meine emotionale Intelligenz sehr ausgeprägt, denn dass ist es ja, was die eigentliche Kraft von Geschichten ausmacht. Es geht um Gefühle, um die Macht unserer Emotionen.
17 Jahre lang habe ich Spielfilme gedreht, fast immer Auftragsarbeiten für das deutsche Fernsehen. Dabei durfte ich ungeheuer viel lernen und viele Kontakte knüpfen. Aber irgendwann habe ich auch gemerkt, es reicht mir nicht mehr, die Inhalte zu erzählen, die andere kreiert haben. Ich fühlte mich fremdbestimmt ein Stück weit, denn das Leben, so wie ich es erlebe, ist viel vielfältiger, interessanter und bizarrer, als es in deutschen Fernsehfilmen erzählt wird.
Und so hat mich mein Weg dann weg von fiktionalen „Stoffen“ hin zu „wahren Geschichten“ geführt. Zu meinen eigenen Geschichten und zu den Geschichten der Teilnehmer*innen meiner Workshops. Ich wurde Gründerin meines Startups „Use your Story“ und Autorin meines ersten Buches „My lovely Shame“.

Schuld bedeutet, dass man sich schämt für etwas, was man getan hat.
Scham bedeutet, dass man sich über sich selbst schämt, so wie man ist.

 

In deinen 13 Stories, die du in Anlehnung an wahre Begebenheiten geschrieben hast, dreht sich alles um das Thema Scham. Also ich glaube, dass das Thema in unserer Gesellschaft „schamhaft“ besetzt ist.
Was hat dich inspiriert, ein Buch über Scham zu schreiben? Und wo wir gerade dabei sind: Wie definierst du Scham im Kontext deines Buches? Inwieweit glaubst du, dass Scham ein universelles menschliches Gefühl ist?

Katinkas Buch „My Lovely Shame“

Ja, Scham ist wahnsinnig schamhaft besetzt. Anfangs als ich von dem Projekt gesprochen hatte, haben die Leute oft zu Boden geschaut und gesagt, nein, Scham, nein das sei nicht ihr Thema. Ganz schnell habe ich gelernt, dass ich das Thema für andere Menschen nur interessant machen konnte, wenn ich es humorvoll, und ja, auch glamourös, angehe.

Schuld bedeutet, dass man sich schämt für etwas, was man getan hat.
Scham bedeutet, dass man sich über sich selbst schämt, so wie man ist.

Sich zu schämen dafür, wie ich bin, ist eines der schlimmsten Gefühle überhaupt. Es hat eine sehr niedrige Energie und macht Persönlichkeitsentfaltung fast unmöglich. Denn wer sich schämt, versteckt sich und zeigt sich nicht. So jemand kommt quasi nicht vor. Daher ist es super wichtig, Scham-Themen anzugehen und aufzulösen. Nur so ist es möglich, in die Selbstliebe zu kommen. Und die eigene Superkraft zu entdecken.
Das alles wusste ich aber damals nicht, als ich mit dem Buch anfing. Es war Corona, ich traf einen wunderbaren Storytelling-Lehrer aus Los Angeles, Mark Travis, und schrieb meine erste Schamgeschichte über etwas, was ich 25 Jahre niemandem erzählt hatte aus lauter Scham. Und puff, die Scham war weg und eine faszinierende Geschichte war entstanden.
Da dachte ich, wow, ist das geil, das mache ich jetzt mit allen wichtigen Scham-Themen in meinem Leben. Vielleicht steckt ja hinter jeder Scham so eine Geschichte. Und so war es auch.

Ich wusste zu dem Zeitpunkt nur, dass ich mich ständig schämte und mir alles peinlich war. Und daß dieses Gefühl sich anfühlte, als würde ich mit angezogener Handbremse durch mein Leben fahren. Das wollte ich nicht mehr.

Aber, was ich dann alles entdeckt habe, darauf war ich nicht gefasst: Nur indem ich mich mit meiner vermeintlich größten Schwäche „my lovely shame“ befasst und etwas Wunderschönes daraus gemacht habe, konnte ich meine wahre Kraft entdecken.

„Und das Leben war ohnehin das schönste Geschenk, das sie mir gemacht hatte.“

 

Mich persönlich hat die Geschichte über deine Mutter sehr berührt. „Und das Leben war ohnehin das schönste Geschenk, das sie mir gemacht hatte.“ Beim letzten Satz musste ich weinen … 
Du schreibst sehr persönlich über deine Eltern, Ex-Freunde, dein berufliches Netzwerk und deine Sexualität. Welche Story ist dir besonders schwer gefallen, zu schreiben?

Also, ich liebe alle meine Geschichten, ihnen verdanke ich, dass ich mich neu in meine Leben verlieben konnte. Und mein Leben hat einen anderen Sinn und eine andere Bedeutung bekommen, dadurch dass ich sie in kurze Geschichten gepackt habe.

Trotzdem waren manche Geschichten einfacher als andere. Zum Beispiel die Geschichte über meine Mutter war aufwendig, denn ich wollte die ganze Komplexität unserer Beziehung in einer Kurzgeschichte einfangen. Die Liebe, die Wut, die Trauer – auch die Schönheit und die Symbiose unserer Beziehung. Ich habe lange nach dem EINEN Ereignis gesucht, anhand dessen ich diese Beziehung erzählen konnte.

Dafür sind mir die beiden Kapitel über meinen Vater viel einfacher gefallen, seltsamer Weise, obwohl ich zu ihm eine viel schwierigere Beziehung habe. Beide Kapitel habe ich in einem Rutsch niedergeschrieben. Und musste kaum nacharbeiten.

Schwer ist mir auch die Geschichte „Waghalsige Audrey“ gafellen, da war ein Trauma vergraben. Etwas, was ich mir lange nicht angeschaut und was ich beim Schreiben nochmals anders verstanden habe. Damals als junge Frau habe ich mein erstes Drehbuch verraten, weil ich so unter Druck stand und Angst hatte, der Film würde nicht gemacht. Das hat damals einen riesigen Einfluß auf meine Karriere gehabt. Und das hat mich im Nachhinein sehr berührt. Vielleicht wäre alles anders gekommen, wenn ich damals mein Drehbuch genommen hätte und gegangen wäre?
Aber ich wusste es damals nicht besser. Es gibt auch viel Vergebung in diesem Buch. Vor allem mir selbst musste ich oft vergeben, dass ich bestimmte Dinge zu verschiedenen Zeiten nicht besser wusste.

Und wie hat dein Umfeld reagiert? Auf deine Autorenschaft? Auf dein Buch-Thema? Bei Künstler*innen schwebt ja immer die Frage im Raum: „Kannst du davon leben?“

Mein Umfeld hat positiv auf das Buch reagiert. Sie haben gespürt, wie wichtig es mir ist. Alle Menschen, die im Buch drin vorkommen – also die Wichtigen – haben es vorher gelesen und ihr Einverständnis gegeben. Das war wundervoll. Viele waren total neugierig darauf. Ich habe sogar eine verloren geglaubte Freundin dadurch zurück gewonnen.

Davon leben können? Es war immer mein Ziel, von dem, was ich mache, leben zu können. Es ist mir immer geglückt, obwohl mir so viele Menschen ungefragt oft falsch beraten haben: brotlose Kunst etc.
Als Regisseurin konnte ich gut von meiner Arbeit leben, ich hätte ab einem bestimmten Punkt sogar echt super viel Geld verdienen können. Aber dazu haben mich die „fiktiven Stoffe und Formate“ zu wenig gereizt.
Also Startup kann ich von meiner Arbeit leben. Als Autorin wird es noch etwas dauern. Aber ich bin mir sicher, das Buch wird seinen Weg in die Welt finden und einen Wahnsinns-Durchbruch erleben.
Wichtig ist: Verliere Dich nicht in fantastischen Träumen und lass Dich auch nicht klein machen von diesen ganzen Unkenrufern und Neidern.

Mach alles so gut Du kannst und dann werden sich immer Wege finden, wie Du damit Dein Geld verdienen kannst.

Viele Menschen träumen von einem Buch. Für ein Buch braucht es jede Menge Ausdauer, Disziplin und Selbstliebe. Wie bist du dein Buchprojekt konkret angegangen? Gab es feste Schreibzeiten? Wie hast du dich motiviert und Schreibhemmungen überwunden?

Weil ich von Anfang an wusste, das wird mein Herzens-Projekt, hier werde ich endlich alles so erzählen, wie ich glaube, dass es für meine Leser*innen beglückend ist, war ich hochmotiviert und super diszipliniert.
Ein paar Monate bin ich um 5 Uhr morgens aufgestanden, habe bis 8 geschrieben und habe dann mit meinem Startup und meinen Storytelling-Kursen Geld verdient. Beides war wichtig.

Ein paarmal bin ich für zwei Wochen in die Eifel gefahren und habe da intensiv gearbeitet. Und ich habe mir immer wieder Unterstützung von meinem Story-Mentor Mark Travis geholt. Das war teuer, ich habe da alles auf eine Karte gesetzt. Aber ich wusste ganz klar, das ist es, was ich immer machen wollte.

Deine Schreibstimme hat mich von ersten Moment in deine Geschichten hinein gezoomt. Wie hast du sie gefunden? – Welche Tipps für Erst-Autorinnen hast du, ihre Schreibstimme zu entwickeln?


Ja, meine ureigene Erzählstimme.

Ich habe von Anfang an so geschrieben, wie ich spreche. Also, ich habe nicht versucht, besser, literarischer zu sein. Sondern immer die Stimme meiner Seele sprechen lassen.
Natürlich habe ich dann viel bearbeitet, viele Bilder hineingearbeitet, ein paar Gags, Metaphern, Monolge und Dialoge. Und ich habe immer versucht, alles anhand von Ereignissen und Situationen zu erzählen.
Viele Schreibenden machen am Anfang folgenden Fehler: sie reflektieren, beschreiben und erklären viel zu viel. Anstatt einfach nur zu erzählen.

Und dann natürlich: ich schreibe Vieles in der Gegenwart. Das ist mein wichtigstes emotionales Instrument. Wenn Du aus dem Moment heraus schreibst, dann bekommt Deine Stimme eine emotionale Wucht und Unmittelbarkeit, die Du niemals erreichen kannst, wenn Du in der Vergangenheit erzählst.

Ein Buch erinnert ein bisserl an eine Geburt … Kannst du dich an den Moment erinnern, als du den letzten Satz in „My Lovely Shame“ geschrieben? Wie hast du dich in diesem Moment gefühlt? Hast du (dich) gefeiert?

Hm, es war nicht so sehr der letzte Satz, sondern das letzte Kapitel. Als ich das hatte, war ich unglaublich erleichtert. Ich wusste, so jetzt habe ich den Schlusspunkt. Ich finde das Ende einer Geschichte so wahnsinnig wichtig, denn das ist es, was im Kopf der Lesenden bleibt. Ich habe öfter geweint beim Schreiben.
Weil mich die Gefühle nochmal überrollt haben. Aber auch weil es mich so glücklich gemacht hat, endlich meine Wahrheit zu sprechen.
Und gerade im letzten Kapitel, gibt es ein paar Stellen, wo ich in meine Superkraft gefunden habe. Meine Wahrhaftigkeit. Und als ich das entdeckt habe, wusste ich: Mein Leben wird nie mehr sein, wie zuvor.

Erst beim Schreiben ist mir bewusst geworden, durch was für eine gewaltige Krise ich in den Jahren davor gegangen war: ich hatte meinen größten Wunsch losgelassen. Erst schreibend habe ich erst gemerkt, wie schmerzhaft das gewesen war.
Aber auch: wie gut hatte ich das gemeistert. Das hat mich glücklich gemacht zu sehen. Es war für etwas gut gewesen, und mir ging es jetzt viel besser. Ich hatte meinen Weg wieder gefunden. Das war überwältigend schön. Vermutlich hätte ich das nicht wahrgenommen, wenn ich nicht ein ganzes Buch darüber geschrieben hätte.

Selbstverlag oder Verlag? Was sind deine Argumente für den Selbstverlag gewesen?

Ich wollte nicht zwei Jahre lang Agenturen und Verlagen hinter her laufen.
Bei diesem Projekt wollte ich alles einmal so machen, wie ich es für meine Leser*innen am Besten hielt. Deshalb war ich von Anfang an skeptisch, ob ich die Zeit investieren sollte, um einen Verlag zu finden.

Dann habe ich drei Verleger, die ich kannte angesprochen. Die Antworte waren:
A: Super Idee, mach doch da einen fiktionalen Roman draus.
B: Super Idee, mach da ein Sachbuch draus.
C: Super Idee, mache da eine normale Biografie draus.

Da wusste ich, dass ich es dieses Mal selber machen würde.

Ich musste irre viel lernen über das Verlegen, aber es hat sich gelohnt. Und es ist wunderschön, bei einem Projekt alles selbst so gestalten zu können, wie ich wollte, nachdem ich Jahrelang so fremd bestimmt gewesen bin.

Ohne Marketing kann ein Buch schnell zum Ladenhüter werden. Wie vermarkest du dein Buch? Was fällt dir dabei leicht, was eher schwer? Hast du für meine Blogleser*innen eine geheime Marketing-Erfolgs-Formel?

Also, ich bin selbst noch voll im Lern-Prozess. Ich lerne immer beim Machen. Nur Lernen ist mir oft zu langweilig. Ich will es immer gleich umsetzen.
Eines weiß ich: Es wird eine ganze Weile dauern und ein Langzeit-Projekt werden, was viel Liebe und Sorgfalt braucht, weil es eben ein Buch ist, dass nicht in Schubladen passt. Ein Genre-Mix.
Ich habe bisher viel gelernt: vor allem, das es viele Versprechungen von allen Seiten gibt, ich habe viel Geld hinein gepumpt. Heraus gekommen ist dabei wenig.

Mir ist klar geworden: ich muss es auf meine Art tun. Mit den Kontakten, die ich habe. Ich habe Unterstützung gefunden, bei prominenten Schauspieler*innen wie Annette Frier. Und das werde ich ausbauen.
Dieses Buch passt nun mal nicht in eine Schublade und da kann auch kein Schubladen-Marketing helfen.
Was ich wirklich sehr gut gelernt habe: über mein Buch zu sprechen, mein Wording immer wieder anzupassen und auszuprobieren.
Wir hatten eine Crowdfunding-Kampagne für das Buch gemacht. Das war sehr hilfreich, da habe ich viel Feedback bekommen.

Katinka:

Ulrike: Wenn das Buch auf der Titelseite deiner Lieblingszeitung oder Magazin stehen würde? Was würde da stehen?

Katinka zeigt Dir, wie leicht es ist, Dich in Dich selbst zu verlieben

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Ulrike: Bist du schon reich? 🙂 – Auf Instagram habe ich gelesen, dass du dein Buch 6 Millionen mal verkaufen willst. Was sind deine Ziele oder Wünsche für 2023?

My Lovely Shame

Nein, reich bin ich damit (noch) nicht geworden. Aber 6 Millionen ist mein Ziel. Seltsamerweise ist diese Zahl beim Schreiben immer wieder aufgetaucht. Ich habe mich gewundert und immer gedacht: Wofür stehen die 6 Millionen?

Aber natürlich wünsche ich mir, viele Menschen damit zu erreichen. Ich habe es ja für Menschen geschrieben, dafür, dass sie ihre eigene Scham auflösen und in ihre Superkraft kommen.

Und dafür werde ich kontinuierlich etwas tun. In diesem Jahr auf jeden Fall. Und darüber hinaus natürlich.

Weitere Infos zum Buch findest du auf Katinkas Webseite. Und auf auf ihrem Instagram-Kanal. 

 

 

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